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Alle Jahre wieder kommt Weihnachten, Ostern und die zweiwöchige Pauschalreise auf die Insel der Herzen. Allerdings hat der geneigte Mitteleuropäer seit einiger Zeit ein weiteres Rendezvous: Die Arbeitsagentur! Wenn ich mich von dem – für mich – etwas verwirrenden Namen löse, freue ich mich sogar ein wenig darauf. Denn früher nannte sich diese Behörde: Arbeitsamt!
Es ist Freitag und ich bin früh vor den Toren denn ich habe die Vermutung, dass die vielen Arbeitsuchenden sich am Freitag bereits auf das Studium der Samstagszeitungen vorbereiten und so den Beamten der Arbeitsagentur zu einem mittäglichen Feierabend verhelfen. Vielleicht auch schon mal Grillfleisch und Bier einkaufen?
Ich habe mir einen großen Kaffee an der U-Bahn Station gekauft und geselle mich um 7:40 Uhr zu den bereits Wartenden. Dort steht eine ältere Dame im rosa Hosenanzug. Sie lächelt beseelt – die Sonne scheint ihr ins Gesicht – so als wäre sie verliebt. Denkt sie doch eher an das Jahr Arbeitslosengeld, dass sie nach Ende der Altersteilzeit erhält. So fängt die dritte Lebensphase doch prima an. An der „Playa del Palma“, bei Käsekuchen und Kaffee und ein paar extra Euros von der Deutschen Arbeitsagentur. Dabei fällt mir ein: „Ich stecke ganz dicke in der zweiten Lebensphase“ und kann mich angesichts der „dritten Nullrunde“ für Rentner und den bevorstehenden „dritten Zähnen“ noch nicht so ganz zur Freude hinreißen lassen.
Direkt vor mir ein ganz spezielles Pärchen. Sie trägt mit Stolz ihren braunen Wollpulli, der alle ihre Rundungen zur Geltung bringt. Alle 110 kg – wie sie der liebe Gott geplant hatte. Er – trägt sein langes Haar zum Zopf gebunden. Die langen Flusen kleben auf seinem Lieblings-Shirt: „Extreme Music for extreme people“. Beide sind Anfang 20, und tragen gemeinsam beide genau gleich viele Piercings im Gesicht. Ich finde es ist Ihnen hoch anzurechnen , dass sie extra auf geblieben sind um diesen Pflichttermin heute morgen wahr zu nehmen.
Ein etwa 45 Jahre Alter Mann – ich hatte ihn schon am Kaffeestand gesehen – raucht Kette und telefoniert seitdem ich ihn wahrgenommen habe. Vermutlich hat er Streit mit seiner Freundin, oder koordiniert die Schwarzarbeit auf seiner Baustelle. Ich hätte ja auch nicht nach den Jahren der Arbeitslosigkeit mit einem Termin beim Arbeitsamt – ups, Arbeitsagentur gerechnet.
Dann ist es endlich soweit. Das Licht in der Vorhalle wird angestellt und eine gelangweilte adipöse Beamtin im mittleren nichttechnischem Dienst schließt die Tür auf. In diesem Moment stürzt ein Experte mit abrasierten Haaren, Sonnenbank gebräunt mit schlechtem Hals Tattoo nach vorne und stellt sich als erster an den Empfang. „Respekt,... gutes Timing!“ Das sehen alle herumstehenden genau so, den keiner murrt oder meckert. Also alles wie im letzten Jahr. Aber kann man aus all dem etwas lernen?